Ein Erfahrungsbericht über die
Klärung eines rätselhaften Falles
Dieter Husar
Die kürzlich erschienene Veröffentlichung über VW Pegasi im IBVS 4916 [1] wird als BAV Mitteilung Nr. 129 zusammen mit dem BAV Rundbrief 4/2000 verteilt. Wie schon im Vortrag soll im Folgenden insbesondere über die spezielle Auswertemethodik berichtet werden, welche nicht ohne weiteres aus der Veröffentlichung zu ersehen ist. Im Verlauf dieses Artikels wird mehrfach auf die Abbildungen und Tabellen der IBVS-Veröffentlichung verwiesen. Anders als im Vortrag müssen an dieser Stelle aus Platzgründen alle Ausführungen über Hilfsmittel zur Beobachtungsplanung, zur Leistungsfähigkeit der heutigen CCD-Technologie und über CCD-Beobachtungstechniken bei widrigen Beobachtungsbedingungen, sowie über das Vorgehen bei Literaturrecherchen im Internet entfallen.
Die verwendete „Extrapolations-Methode“ zur
Bestimmung der Minimumzeiten von unvollständig beobachteten Minima beruht
darauf, zunächst eine Art „Normal-Lichtkurve“ mittels der vollständig
beobachteten Minima zu erstellen. Mit diesen Kurven kann dann durch Minimierung
der quadratischen Abweichungen (Methode der kleinsten Fehlerquadrate) zwischen
Meßwerten und „Normal-Lichtkurve“ die beste Überlappung festgestellt werden.
Die mit der Anzahl der Meßpunkte normierte Summe der quadratischen Abweichungen
der Meßwerte von der Fitkurve ergibt den Wert CHI-Quadrat C2:
In der hier gegebenen Definition ist: n die Anzahl der Messwerte; die xi
sind die Messwerte, die pi
die entsprechenden Werte der Fitkurve und si die Messfehler.
Aufgrund der Unterschiede von C2 für die verschiedenen optimierten Fitkurven der beiden
Mimimumtypen lässt sich meistens zwischen den beiden Minimumtypen
unterscheiden. Dies ist aus den Abb. 1 und 2 zu erkennen.
Abb.1: Normal-Lichtkurve Minimum
I
(Normale Messwert-Streuung im absteigenden Teil,
später Bewölkung
Abb.2: Normal-Lichtkurve
Minimum II (Statistik weniger gut, da nur 10 sec belichtet)
Beide annähernd vollständig beobachteten Minima in Abb.1 und 2
sind jeweils mit ihrer optimalen Fitkurve (durchgezogene Linie) und der
Fitkurve (punktiert) des anderen Minimumtyps dargestellt (Fit: Polynome 8.-14.
Grades). Der Wert für C2 steht im Textfeld der Abbildung.
In den folgenden Abbildungen finden sich 3 Beispiele für Anpassungen der Normal-Kurven an Teilbeobachtungen
von Minima.
Abb.3: Beispiel für ein Min I - VW Peg (16. Beobachtung am 19./20. August 1998)
Abb.4: Beispiel für ein Min I - VW Peg (25. Beobachtung am 20./21. Mai 1999)
Abb.5: Beispiel für
ein Min II
- VW Peg (14. Beobachtung am 04./05.
August 1998)
Eine wesentliche Voraussetzung für die Verwendung von Normal-Lichtkurven
als Fitkurven zur Extrapolation ist natürlich die Konstanz der Lichtkurve
über den Beobachtungszeitraum; dies trifft bei VW Peg glücklicherweise zu.
Weitere Voraussetzungen sind natürlich auch reproduzierbare und
vergleichbar reduzierte Beobachtungsergebnisse. Bei einer Relativ-Photometrie
in instrumentellen photometrischen Einheiten müssen selbstverständlich die selben Vergleichsterne verwendet werden
und der Linearitätsbereich muss
unbedingt eingehalten werden. Die instrumentellen
Bedingungen (Öffnung, Brennweite, Filterung) sollten sich im
Beobachtungszeitraum möglichst nicht verändern.
Von
VW Pegasi wurden 17 neue Minimumzeiten
an 11 verschiedenen Minima bestimmt –
ich verweise an dieser Stelle auf die Table
1 aus dem IBVS [1]. Erwähnenswert ist sicher auch, dass wir mit der
Extrapolations-Methode aus dem Datenmaterial von Williams aus dem Jahre 1914 zwei Nebenminima extrahieren konnten,
die von Williams nur teilweise beobachtet waren. Diese hatte er vermutlich
deswegen ignoriert, weil sie nicht in seine Perioden-Hypothese der primären
Minima passten. Es wird vielleicht Erstaunen auslösen, wenn man sieht wie klein die Fehler sind (wenige
Minuten), die wir mit der Extrapolationsmethode
erzielten konnten. An der Anzahl
der extrapolierten Minima ist erkennbar, welche Bereicherung die
Extrapolations-Methode darstellt.
Von
größter Bedeutung waren die Negativ-Beobachtungen
- auch wenn es zunächst unbefriedigend erscheint, wenn man das Minimum nicht
erwischt hat. Ohne die Negativ-Beobachtungen wäre eine Periodenbestimmung
höchst spekulativ geblieben. Die Tabelle der CCD Negativ-Beobachtungen wurde im
IBVS „elektronisch“ veröffentlicht, d.h. diese ist in der ausgedruckten
Variante der IBVS-Veröffentlichung nicht enthalten, aber über das Internet
abrufbar (http://www.konkoly.hu/IBVS/IBVS.html).
Die
Auswertung war natürlich ein monatelanger iterativer
Prozeß - immer wieder ergänzt durch erneute Beobachtungen. Im Wesentlichen
haben wir aber zunächst die eigenen CCD-Beobachtungen zugrunde gelegt - sowohl
die Minima, als auch die Negativbeobachtungen. Mit einem Rechenprogramm namens Analyse1 (Programmierung: Dr.
Achterberg) konnte nach möglichen Perioden gesucht werden, die mit den
positiven und negativen Beobachtungen in Einklang sind. Da der gesamte
Phasenraum bereits durch die CCD-Beobachtungen und zusätzlich noch durch die
vielen visuellen Schätzungen meist mehrfach abgedeckt ist, war das folgende
Ergebnis eindeutig.
Die Periode von VW Pegasi wurde für
Minimum I und II getrennt gerechnet:
Min I = HJD 2450708.5645 + 21.0717511 x E
±.0007 ±.0000013
Min II = HJD 2450714.2837 + 21.0717458 x E
±.0005 ±.0000017
Man
sieht, daß die beiden Perioden leicht voneinander abweichen. Die Differenz der Perioden ist aber
lediglich 2,5 mal so groß, wie die Fehler-Summe der Periodenbestimmung. Ein
größerer Unterschied der Perioden wäre ein signifikanter Hinweis auf eine
langsame Apsidendrehung, die wir
leider aber mit unserem Datenmaterial somit NOCH
NICHT nachweisen konnten. Das müssen jetzt die nächsten Jahre (oder Jahrzehnte)
ergeben.
Interessant
ist auch die Feststellung, daß alle früher veröffentlichten Perioden mit den
jetzt gefundenen Perioden in einem ganzzahligem Verhältnis stehen. An dieser
Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß die nunmehr nachgewiesene Periode sich
nahezu mit einer Vermutung von
BAV-Mitglied Bernd-Christoph Kämper aus dem Jahr 1994 deckt. Zu einem
eindeutigen Nachweis reichten damals die Beobachtungsdaten allerdings nicht aus
. Man kann heute rückblickend sagen, dass diese Vermutung nicht auf fruchtbaren
Boden fiel. Das mag vielleicht seinen Grund darin haben, dass der Unterschied
in der Periode gegenüber allen früher veröffentlichten Daten extrem groß war,
womit die Aussage daher zunächst unglaubwürdig erschien.
Abschließend empfehle ich
noch einen Blick auf die reduzierten Lichtkurven, die im beigefügten IBVS [1]
abgebildet sind (Fig. 1 und 2). Die Lichtkurven unterscheiden sich in der Tiefe und in der Bedeckungsdauer (D1=5.3
h im primären und D2=7.2 h
im sekundären Minimum). Bereiche konstanter Helligkeit in den Minima
konnten wir nicht beobachten. Hier sind jedoch weitere – genauere – Messungen
sinnvoll und erwünscht.
Alle
CCD-Messungen zusammengefasst, ergibt die im IBVS [1] abgebildete Gesamt-Lichtkurve (Fig. 3). Die im Vergleich zur langen Periode relativ
kurze Bedeckungsdauer (von ca. 1%, bzw. 1.4% der Periode) ist gut
erkennbar. Die Periode beträgt ziemlich genau das 18-fache des Werts aus dem
BAV Circular. Beides zusammen erklärt nun so manchen Frust bei früheren
Beobachtungsversuchen an VW Peg. Die visuellen Beobachtungen sind in der
Gesamt-Lichtkurve nicht eingetragen, da deren Streuungen doch mit ca. ± 0.15 mag erheblich sind. Wir haben übrigens die Berechnung
der Periode zunächst ohne und dann auch mit Einbeziehnung der visuellen Beobachtungen
durchgeführt und sind zu den gleichen Ergebnissen innerhalb der angegebenen
Fehler gelangt.
Die
Asymmetrie der Lichtkurve mit dem Nebenminimum bei Phase 0.27141 ± 0.00004 weist auf
eine starke Exzentrizität (numerische
Exzentrizität e=0.39 ± 0.02) hin.
Erwünschte zukünftige Aktivitäten
Was könnte nun für die
folgenden Jahre weiter auf dem Programm stehen?
Eine lohnenswerte Aufgabe
wäre beispielsweise die Photometrie im
UBVRI-System; letztlich mit dem Ziel der Ermittlung der physikalischen Parameter (Massen,
Sternradien, Oberflächentemperaturen, Randverdunkelung), oder vielleicht auch
die Aufnahme eines Sternspektrums und
natürlich gelegentlich auch die Beobachtung (kompletter)
Minima mit möglichst genauer Bestimmung der Minimumzeit zur Entscheidung
über die offene Frage der Apsidendrehung. Hierzu können auch visuelle Minima
betragen! Bezüglich der Auswertung dieser Minima können Sie mich dann gerne
ansprechen.
Literatur (Auswahl):
[1] Achterberg, H.,
Frank, P., Husar, D.: IBVS, No. 4913
(BAV Mitt. 129)
[2] Dahm, M., 1996, BAV Rundbrief, 45, 164
[3] Dworak, T.Z., 1976, IBVS,
No. 1192
[4] Williams, A.S., 1914, MNRAS,
74, 215
[5] Zinner, E., 1922,
Astr. Abh. Erghefte zu AN, 4, No.3
Adresse des Autors: Dr.
Dieter Husar, Himmelsmoor 18, D-22397 Hamburg, e-mail: husar.d@gmx.de