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Eine Doppelperiode bei dem Mira Stern T Cas
und der Buckel vor dem Maximum

Abstract: The Mira type star T Cas shows a remarkable hump in its lightcurve before maximum. Most humps of the years 1921 to 2000 are analysed and a second period of 19 cycles is detected. More possibilities to find a second period are checked and others are presented from the literature.

Über T Cas

Seit Mitte 1995 beobachte ich regelmäßig den Mira-Stern T Cas (0017+55, 7.9 bis 11.9mag in 444.8 Tagen, Spektralklasse M9.0e laut [11]) und erhielt die dicht besetzte Lichtkurve (Abb. 1) aus insgesamt 241 Beobachtungen. Der durchschnittliche Zeitraum zwischen zwei Beobachtungen beträgt, abgesehen von der 161-tägigen Lücke im Sommer 2000, 8.1 Tage. Zu erkennen ist das langsame Absinken der Helligkeiten im Maximum und im Minimum während des dargestellten Zeitraums. Daher sollte untersucht werden, ob es sich um eine zufällige Entwicklung oder um den absteigenden Abschnitt einer zweiten Periode handelt, die gegenüber der oben angegebenen Periode deutlich länger ist.

Abb.1: Lichtkurve von T Cas nach Beobachtungen durch den Autor (LTO.AAVSO)

Bisherige Untersuchungen aus der Literatur

Eine Suche im CDS bibliographic service [2] förderte drei Literaturstellen zutage, von denen ich [3] und [14] trotz interessanter Titel gar nicht und [4] leider nur als Abstract erhalten konnte. In [4] zeigt eine Analyse der BAA Beobachtungen von 1920 bis 1995 außer der Grundperiode des Sterns wohl einige nicht-sinusoide Variationen sowie langsame Veränderungen in der Phase der Lichtkurve.

Die drei Artikel in [5] basieren auf den AAVSO Beobachtungen über einen Zeitraum von 75 Jahren und untersuchen verschiedene Probleme der Perioden und Periodenänderungen bei insgesamt 391 Mira-Sternen. Als Ergebnis stellen die Autoren fest, daß alle Periodenänderungen über einen Zeitraum von 10 bis 20 Zyklen zufällig erfolgen. Besondere Ereignisse wie der Heliumschalenflash sollen sich langfristig in linearen Periodenänderungen zeigen. Teil III der Untersuchungen beschreibt die Suche nach einer zweiten Periode bei diesen 391 Mira-Sternen. Dabei wurden ausschließlich die Maxima der Sterne betrachtet. Bei T Cas fanden die Autoren eine zweite Periode mit einer Amplitude von 0.5 mag und einer Länge von 8900 Tagen.

Per EMail berichtete mir John Greaves (Großbritannien) von einer zur Veröffentlichung eingereichten Arbeit [6], die über den in vielen Zyklen auftretenden, geringen Helligkeitsabfall zwischen Buckel und Maximum eine Periode von ungefähr 2800 Tagen herleitet.

Eine neue Analyse

Als Grundlage für die folgenden Auswertungen dienten die von der AFOEV gesammelten Beobachtungsdaten, die unter [1] im Internet verfügbar sind und bis 1921 zurückreichen. Leider gibt es zwei größere Beobachtungslücken, die aber mit den Quarterly Reports der AAVSO weitgehend gefüllt werden konnten. Insgesamt sind so von den insgesamt 66 Perioden 64 (fast) vollständig abgedeckt. Lediglich das Maximum des Jahres 1945 wurde verpaßt. Diese weitgehend lückenlose Lichtkurve ist der zirkumpolaren Lage des Sterns zu verdanken.

Der Buckel im Anstieg

Wie manch anderer Mira-Stern zeigt auch T Cas einen Buckel während des Anstiegs von Minimum zu Maximum. In Abb.1 ist dieser Buckel besonders gut im vierten Maximum (1998/9) zu erkennen, in den übrigen Maxima zeigt er sich nicht oder nur schwach ausgeprägt. Unter den 64 beobachteten Anstiegsphasen lassen sich 57 Buckel eindeutig erkennen (89%), fünf Buckel sind unklar oder in Beobachtungslücken versteckt, drei Mal tritt kein Buckel auf (6%). Der letzte Fall läßt sich auch interpretieren als zeitlichen Zusammenfall des Buckels mit dem Maximum oder Minimum.

Insgesamt 28 Buckel zeigen ein Zwischenminimum von mindestens 0.2mag bis hin zu 0.5mag (nur 1927, 1939 und 1940 sowie eventuell 1961 wurden 0.5 mag erreicht) vor dem Anstieg zum endgültigen Maximum. Wegen der zum Teil stark streuenden Beobachtungsdaten ist eine genaue Analyse der Buckel auch nach einer Mehrtagesmittelwertbildung problematisch. Insbesondere die Länge konnte daher nur auf ±5 Tage genau bestimmt werden.

Abb. 2: Buckelhelligkeit gegen Buckellänge

Eine Auswertung der Buckelhelligkeiten und der -längen ergibt die in Abb. 2 dargestellte Verteilung. Bei einer durchschnittlichen Länge von 79.7 Tagen bewegen sich die Werte in einem Bereich von 40 bis 120 Tagen. Die Buckelhelligkeiten liegen zwischen 8.0 und 10.0mag bei einem Mittelwert von 9.2mag. Die Buckel selbst treten damit ausschließlich im zweiten Teil der Anstiegsphase des Sterns auf, während in der Nähe des Minimums keine Buckel zu erkennen sind. Eine Abhängigkeit von Helligkeit und Länge der Buckel existiert ebenso wenig wie eine Periode in der zeitlichen Änderung der Buckellängen.

Abb. 3: Der Verlauf der Buckeltiefen.

In den vorliegenden Daten konnten, wie oben dargestellt, 28 Zwischenminima von mindestens 0.2mag Tiefe sowie acht von 0.1mag Tiefe gefunden werden. In 27 Zyklen trat kein derartiger Helligkeitsabfall auf.

In der Nähe der Extrema in den Jahren 1939 (Zyklus 15) und 1961 (Zyklus 33) treten zwar gehäuft weitere hohe Buckeltiefen auf, aber ein periodisches Verhalten läßt sich nicht feststellen. Ebenfalls scheint die Tiefe des Buckels keine Auswirkung auf die Maximalhelligkeit zu haben. Die Länge des Maximums beträgt etwa 100 Tage und wirkt in vielen Lichtkurven durch einen ähnlich hellen Buckel deutlich verlängert.

In [12] wird eine Korrelation zwischen den Helligkeiten von Buckel und Minimum beim Stern S Cep beschrieben, der dem hier betrachteten T Cas relativ ähnlich ist mit einer visuellen Helligkeit von 7.4-12.9mag, Periode 486.84 Tage und Spektralklasse C7.4e.

Auch T Cas zeigt eine derartige Korrelation, wie in Abb. 4 deutlich wird. Abgesehen von den Zyklen 57 bis 62 verlaufen beide Helligkeiten mit gewissen Streuungen parallel. Ein Buckel ist durchschnittlich um 2.9 mag heller als das vorhergehende Minimum.

Abb. 4: Zusammenhang zwischen Minimal- und Buckelhelligkeit. Aufgetragen ist
die Differenz von Minimum (N-1) zu Buckel (N).

Periodizitäten im Verlauf der Extrema

Abb. 5: Verlauf der Helligkeiten von Maximum, Buckel und Minimum über 65 Zyklen.
Ein Zyklus besteht dabei aus den Phasen Buckel - Maximum - Minimum.

Weitere Ergebnisse liefert eine Periodensuche an den Maximal-, Buckel- und Minimalhelligkeiten, deren Verlauf in Abb. 5 dargestellt ist. Der Verlauf der Maxima ist deutlich unregelmäßig und zeigt eine geringe Signifikanz zu einer Periode über sechs bis acht Zyklen sowie zu einer weiteren Schwingung mit knapp 50 Zyklen Dauer. Erkennbar ist diese an der Tendenz von hellen zu dunkleren Maxima in den ersten zwanzig Zyklen sowie ebenso in der zweiten Hälfte des Beobachtungszeitraums.

Die Minima zeigen eine deutlichere Periodizität von etwa 50 Zyklen, wie man schon mit bloßem Auge in Abb. 5 erkennen kann. Da der gesamte Beobachtungszeitraum aber nur um dreißig Prozent länger ist als diese Periode, ist das Ergebnis vorläufig mit Zweifeln behaftet. Das Minimum im Verlauf der Minimalhelligkeit scheint aber etwa zehn Zyklen vor dem Minimum der Maximalhelligkeit aufzutreten, also um etwa 20 Prozent versetzt.

Die Entwicklung der Periodenlängen verläuft unspektakulär (Abb. 6). Im dargestellten Zeitraum läßt sich keine regelmäßige Änderung der Zeiträume zwischen zwei Maxima erkennen.

Abb. 6: Entwicklung der Periodenlängen

Eine Periode in der Buckelentwicklung

In dem leider bisher unveröffentlichten Paper [6] wurde die These aufgestellt, es ließe sich eine Periode aus den Zwischenminima ableiten. Diese sollten sich etwa alle 2800 Tage (etwa sechs Grundperioden des Sterns) mit dem Maximum vereinen und dieses verdunkeln.

In Abb. 4 kann man dieses Verhalten zum Teil nachvollziehen: In den Zyklen 19, 38, 54 sowie 57 bis 62 nähern sich die Helligkeiten von Buckel und Maximum stark an, wobei das Maximum selbst einen unterdurchschnittlichen Wert annimmt. Dieses Verhalten selbst scheint allerdings nach den hier vorliegenden Daten eher unregelmäßig einzutreten, in den letzten Jahren sogar fast bei jedem Maximum. Die in [6] vorgeschlagene Periode kann also nicht bestätigt werden.

Ein deutlicheres Resultat ergibt sich zumindest mathematisch im Verlauf der Buckelhelligkeiten. Diese schwingen mit mäßiger Signifikanz in etwa 19 Grundperioden (dies entspicht etwa 8450 Tagen) zwischen 8.0-8.5mag und 10.0mag.

Physikalische Ursachen

Der Stern T Cas zeigt eine Lichtkurvenform vom Typ g nach Ludendorff (siehe [9]). Diese zeichnet sich durch eine Periode von über 300 Tagen sowie über den Buckel im Anstieg (mit keinem oder geringem Helligkeitsabfall am Ende des Buckels) aus.

In ihrem dritten Artikel gehen die Autoren von [5] auch auf die Ursachen der Multiperiodizität ein: Mira-Sterne mit einer langen zweiten Periode (das 10-15fache der Grundschwingung) zeigen sehr häufig die Spektralklasse C (ca. 50%). Damit könnte die physikalische Ursache mit dem zeitweiligen Ausstoßen von Staub in Zusammenhang stehen, der auch bei anderen kalten Sternen beobachtet wird. Bei den Mira-Sternen mit einer kurzen zweiten Periode soll die Ursache dagegen in einer Inteferenz zwischen mehreren radialen Pulsationsmodi liegen.

In [10] wird die strittige Frage nach dem Schwingungsmodus der Mira-Sterne anhand gemessener und theoretischer Modelle des Verlaufs der Radialgeschwindigkeiten geprüft. Laut diesen Untersuchungen pulsieren T Cas und acht weitere Mira-Sterne in der ersten Oberschwingung.

Schließlich führt [11] die Ursache für die Buckel und andere plötzliche Helligkeitssprünge im ansteigenden Bereich der Helligkeitskurve bis hin zu Doppelmaxima auf Schockwellen zurück. Theoretische Berechnungen bezifferten den Zeitraum der Schockausbreitung bis zum Verlust der Fähigkeit, das umgebende Gas zu ionisieren, auf 20 bis 35 Tage. Dieser Zeitraum liegt nahe der praktisch beobachteten Dauer von Buckeln und beträgt durchschnittlich 0.1 Perioden.

Ergebnis

Die Untersuchung der Buckelhelligkeiten führt zu einem ähnlichen Ergebnis wie in [5] mit hier etwa 8450 Tagen und einer Amplitude von 0.5-0.7mag gegenüber 8900 Tage und 0.5mag in [5], wobei in [5] ausschließlich die Maxima betrachtet wurden. Die Periode der Maxima konnte hier nur ansatzweise nachvollzogen werden, da die Streuung der Daten zu groß ist. Sowohl Maximum als auch Minimum zeigen Tendenzen zu einer Periodizität von etwa 50 Grundperioden. Die in [12] beschriebene Korrelation zwischen Minimum- und Buckelhelligkeit bei S Cep tritt auch bei T Cas auf.

Insgesamt gesehen läßt sich eine zweite Schwingungsperiode des Sterns T Cas nur mit geringer Signifikanz aus den zur Verfügung stehenden Beobachtungsdaten erkennen. Je nach Vorgehensweise beträgt die Dauer der zweiten Perioden sechs, 19 oder 50 Zyklen.

Eine Doppelperiode ist daher möglich, mit größerer Sicherheit aber erst unter Berücksichtigung einer weitaus größeren Zahl von Beobachtungen zu entdecken. Der dafür notwendige Zeitraum beträgt wohl noch einmal 50 bis 100 Jahre! Einen ersten Eindruck können die nächsten fünf bis zehn Zyklen geben, in denen die Maximalhelligkeit den Bereich von 8.0 bis 8.5mag verlassen und wieder auf Werte von 7.0 bis 7.5mag wandern sollte.

Literatur / Links

[1] Datenbereich der AFOEV: http://cdsarc.u-strasbg.fr/pub/afoev/

[2] CDS bibliographic service, Centre de Donnees astronomiques de Strasbourg: http://simbad.u-strasbg.fr/cgi-bin/cdsbib

[3] Klyus I.A., The statistic anlysis of the light curve of T Cassiopeiae, Perem. Zvezdy, 22, 697-702 (1988)

[4] Howarth J.J., T Cassiopeiae - a predictable variable?, JBAA 107/5, 264-269 (1997)

[5] Percy J.R., Colivas T., Long-term changes in Mira stars I & II & III, alle drei Teile in: Publications of the Astronomical Society of the Pacific, 111 (199)

[6] Howarth John J., Greaves John, bisher unveröffentlichtes Paper

[7] Goldhahn Hartmut, Interessantes langfristiges Lichtkurvenverhalten von Mirasternen, BAV Rundbrief 4 (1998)

[8] Dahm Michael, Periodenänderungen bei Mirasternen am Beispiel von T UMi, BAV Rundbrief 3 (1995)

[9] Einführung in die Beobachtung Veränderlicher Sterne, BAV 1983

[10] Tuchman Y., The mode of pulsation in mira variables determined by the observed acceleration data, The Astrophysical Journal, 383, 20.12.1999

[11] Kudashkina L.S., Rudnitskij G.M., Influence of shock waves on the light curves of long-period variables, Odessa Astronomical Publications, vol. 7, part 1 (1994)

[12] Marsakova V.I., Fast variations of the mean brightness and other light curve parameters of the carbon Mira-type star S Cep, JAAVSO 27 (1999)

[13] Marsakova V.I., Andronov I.L., Catalogue of main characteristics of individual pulsational cycles of 35 Mira-type stars, Odessa Astronomical Publications, vol. 11 (1998)

[14] Kudashkina L.S., Linear dependencies between the hump duration and mainphotometric characteristics of the light curves of Mira-type stars in connection to the evolutionary stage, Joint European and National Astronomical Meeting, JENAM-97

, Bovenden

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