Rundbrief Verzeichnis

Wer beobachtet mit? W Geminorum

Ralf Meyer

W Gem ist ein Stern veränderlicher Helligkeit vom Typ der klassischen Cepheiden. Diese Gruppe veränderlicher Sterne ist benannt nach ihrem hellsten und zuerst entdeckten Vertreter δ Cephei. Cepheiden sind pulsierende Riesensterne, die wegen ihrer gewaltigen Leuchtkraft auch in Sternsystemen außerhalb unserer Galaxis untersucht werden können. Ihr Studium führte zu weitreichenden, das moderne himmelskundliche Weltbild maßgeblich bestimmenden, theoretischen Einsichten. Für uns Amateure hat die große Leuchtkraft die angenehme Folge, daß einige Handvoll dieser Objekte mit minimalem Gerät gut zu sehen sind. Zu ihnen gehört W Gem. Der Stern hat folgende Koordinaten: α(2000.0) = 06h34m58s; δ(2000.0) = +15°19,9'. Wir finden den Stern ab Oktober in der zweiten Nachthälfte und ab Januar nach Ende der Abenddämmerung in guter Höhe am Winterhimmel. Durch seine Nähe zu γ Geminorum (Zwillige) ist er leicht aufzusuchen.

Die Helligkeit von W Gem schwankt zwischen 6.m54 und 7.m38. Diese Schwankungen sind mit einem Feldstecher 7x50 gut zu beobachten. Die Lichtkurve ist asymmetrisch mit einem raschen Anstieg und einem langsameren Abfall. Den Katalogen (GCVS 1987) entnehme ich folgende Lichtwechsel-Elemente

Zeitpunkt des Maximums (JD): 2442755,191 + 7,913779 x E,

wobei E eine geeignet zu wählende, ganze Epochenzahl ist. Weil sich der Lichtwechsel über lange 7,9 Tage hinzieht, können wir eine Beobachtung in einer Nacht nicht abschließen. Wir verzichten auf eine datumsgenaue Beobachtungsplanung und schätzen den Stern während einer Beobachtungssaison in allen klaren Nächten mindestens einmal. Unterbrochen von Störungen durch den Mond und durch Schlechtwetterperioden werden wir W Gem einmal hell, ein andermal schwach und häufig in mittlerer Helligkeit finden. Der Beobachter bestimmt ein gut gestaffeltes System von etwa 4 benachbarten Vergleichssternen stabiler Helligkeit ABCD und schätzt die Helligkeit des Veränderlichen im Vergleich damit. A muss heller sein als der Veränderliche im hellsten Licht, die schwächeren Anschlußsterne sind sorgfältig derart zu stufen, dass ihre Helligkeitsunterschiede knapp, aber eindeutig reproduzierbar wahrgenommen werden. In der Umgebungskarte sind hierfür geeignete Sterne vorgeschlagen.

Weil unsere Beobachtungskampagne mehrere Monate dauert, müssen wir sorgfältig dokumentieren: Die Zeitnahme in Form eines Julianischen Datums mit zweistelligem Tagesbruchteil und die Helligkeitsschätzung in der Musterform A3V5B, C1V6D B4V2C usw. oder direkt in Magnituden. Am Ende der Beobachtungssaison werten wir unsere Daten aus. Die Argelanderschätzungen werden in Stufenhelligkeiten umgerechnet und die Zeitdaten reduziert. Dazu vemehren oder vermindern wir jedes Zeitdatum um die vorgegebene Periodendauer oder ein passendes ganzzahliges Vielfaches derselben. Die Datenpaare sollen schließlich in einem Zeitraum der Länge einer Periodendauer zusammengeschoben sein in der Weise, dass die hellsten Schätzungen graphisch günstig etwas links der Mitte liegen.

In der sich ergebenden Punktwolke erkennt man trotz der unvermeidlichen Streuung das erwartete Modell einer asymmetrischen Pulsationslichtkurve. Mit etwas Augenmaß legen wir einen gleichmäßig verlaufenden Lichtkurvenzug durch die Beobachtungspunkte in der Weise, dass diese gleichmäßig um diese Linie verteilt liegen. Dabei ist zu beachten, dass die absteigende Flanke bei W Gem gestört ist durch einen variablen Buckel. Dieses zweite Maximum kann fast so hoch werden wie das eigentliche und darf nicht mit ihm verwechselt werden (siehe Abbildung). Solche Buckel sind eine Besonderheit aller Lichtkurven klassischer Cepheiden mit Perioden um 8 Tage. Sie fehlen bei den Objekten mit kürzeren und längeren Perioden.

Zur Hilfe bei der Beobachtung und Auswertung halten Sie sich an die BAV, Munsterdamm 90, 12169 Berlin oder eMail zentrale@bav-astro.de.

Dr.med. Ralf Meyer, Fürnheim 16
91717 Wassertrüdingen, Tel.: 09832-65903


Abb. 1 Die von R. Meyer erzielte Lichtkurve aus dem Jahr 1999


Abb. 2 Vergleichssterne zu W Gem. a=6.m2, b=6.m4, c=6.m7, d=7.m2, e=7.m6

Rundbrief Verzeichnis