Ralf Meyer, D 91717 Fürnheim
Im Frühjahr 1998 war ich ein junger, unerfahrener Veränderlichenbeobachter und konnte aus den Helligkeitsangaben des BAV-Circulars noch nicht die richtigen Schlüsse ziehen. Eines Märzabends richtete ich meinen ersten Astroscan, einen Mini-Dobson mit 4" Öffnung, frech auf den RR-Lyrae-Stern TT Cancri (2000.0: α = 8h32m55s, δ = +13°11,5'), der im schwachen Licht nur 11,78m hell ist und dessen Helligkeit ein bis zweimal pro Tag auf 10,72m steigt. Dass ich den Stern im schwachen Licht überhaupt sah, spricht für die optische Qualität des Geräts und dafür, dass jene Märznacht mondlos und einwandfrei klar war. In solchen Ausnahmenächten ist die Milchstraße ein Gewimmel scharfgestochener Lichtpunkte, im Gesichtsfeld des Okulars schimmern schwache Hintergrundsterne wie Samt und erzeugen einen dreidimensionalen Eindruck.
In der genannten Märznacht tat TT Cnc nicht so, wie ich wollte, und verweigerte eine Stunde lang den Helligkeitsanstieg. Ich überprüfte mehrfach auf der Aufsuchkarte, ob ich denn auch den richtigen Stern ansähe, und wollte angesichts des krachenden Frosts schon abbauen. Mit einstündiger Verspätung zeigte mir der Stern dann doch noch den typischen raschen Helligkeitsanstieg um eine Größenklasse in weniger als einer Stunde, gefolgt von einem etwas langsameren Abfall und der Rückkehr zum Ausgangszustand. (Die Abbildung des erzielten Maximums und ein neues mit CCD-Kamera sind beigegeben).
Für TT Cnc und zahlreiche andere RR-Lyrae-Sterne waren damals in der Literatur veraltete und fehlerhafte Lichtwechselvorhersagen unterwegs. Meine Geduld hatte sich gelohnt, denn meine Beobachtung trug dazu bei, eine solche schlechte Ephemeride zu erkennen und zu korrigieren.
Beobachtungspraxis ist die exakte Beschreibung des Lichtwechsels mit quadratischen Gliedern zu umständlich und man passt lieber in regelmäßigen Abständen lineare Vorhersage-Elemente an.
Gegenwärtig lauten diese:
JDMax = 2449643,6441 + 0,56345155 * E (BAV-Rundbrief 47, 1998, S.67)
Die Lichtkurven vieler RR-Lyrae-Sterne, RR Lyrae selbst, und auch die von TT Cancri sind mittelfristig-zyklisch veränderlich. Bei TT Cancri beträgt diese zusätzliche Periodenvariation rd. 89 Tage. Diesen Blazhko-Effekt hat man bis heute nur unvollständig verstanden. Auch der visuelle Beobachter kann den Blazhko-Effekt als Streuung einzelner Maximumszeiten (B-R) bei etwa gleicher Helligkeit bei RR Lyrae selbst (vergleiche hierzu BAV Rundbrief 34, 1985, S. 1-4) erkennen, ggf. auch bei TT Cancri. Bei anderen RR-Lyrae-Sternen mit Blazhko-Effekt führt dieser zu ganz stark schwankenden Helligkeitswerten in seinem Zyklus, die eine visuell beobachtbare Amplitude nur ab und an hervorbringen (z.B. bei RW Cancri, im VdSJ 9, S. 25 - hier als Lichtkurven abgebildet - oder bei UX Trianguli in den BAV Mitteilungen Nr. 145, 2002, S. 3 bzw. 4).
Hier sind nur Beobachtungen mit CCD-Ausstattung sinnvoll. Das ist leicht gesagt. Wenn auch seitens der BAV Hinweise auf den Blazhko-Effekt im Vorhersagen-Circular gegeben werden, kann man immer mit Überraschungen rechnen, weil man als Beobachter kaum vorher Literatur-Recherchen betreibt, die im Einzelfall auch unergiebig sein können, weil wenig bekannt ist. Es gilt hier noch viele Einzelsterne ausgiebig zu erforschen etwa in dem speziell hierzu erstellten BAV-Programm 1990 mit Karten und Vorhersagen.
2003, Okt 22, ergänzt durch W. Braune hinsichtlich Abbildungen und Blazhko-Effekt.
Hinweis: Dieser Text war auch Grundlage zu einem Beitrag, der verkürzt in SuW 2/2004 erschien. Er war dort allerdings um die von mir nachgefügten Passagen und Abbildungen zum Blazhko-Effekt gekürzt. Rolf Meyers ursprüngliche Betrachtungen endeten nach den Elementen mit der einfachen Aussage, dass sich der Blazko-Effekt für den visuellen Beobachter in der erhöhten Ergebnisstreuung zeigt. In SuW blieb davon nur die Aussage, dass "nur Beobachtungen mit CCD-Ausstattung sinnvoll" sind.
Dies ist, wie im kompletten Text oben erkennbar, nun wirklich nicht die Intention von Ralf Meyer als Anreger zur visuellen Beobachtung! Diese Aussage ist zudem falsch. Ich bitte deshalb hier um Entschuldigung für die meinerseits verursachte Darstellung.
Aufgrund der Sachlage, dass ein visueller Beobachter nicht erkennen kann, ob er einen RR-Lyrae-Stern mit grundsätzlich guter Amplitude oder einen solchen mit großen Schwankungen in der Beobachtungsplanung hat, habe ich unseren Sektionsleiter, Anton Paschke um die Prüfung besserer Gestaltungen dieses Bereiches unserer BAV-Programme gebeten.
Werner Braune
Abb. 1: TT Cnc - visuelles Maximum von Ralf Meyer
Abb. 2: TT Cnc - CCD-Maximum von Gerold Monninger